Key User in ERP-Projekten – unverzichtbar, aber oft unterschätzt

Die Rolle des Key Users wird häufig unterschätzt und als on top neben dem Arbeitsalltag gesehen. Sie sind weit mehr als reine Systemanwendende – sie sind die Brücke zwischen Fachbereich und IT, Übersetzter*innen, Fachexpert*innen, Tester*innen, Trainer*innen, Support, Change Manager*innen und Multiplikator*innen. Daher dienen sie als essenzielle Akteur*innen für den Erfolg eines ERP-Projekts. Sie begleiten das gesamte Projekt und übernehmen verschiedene Schlüsselfunktionen während des Projektverlaufes.

 

Key User im Projektverlauf

Die Grafik zeigt den strukturierten Verlauf eines ERP-Projekts (Auswahl und Implementierung) und hebt die zentrale Rolle des Key Users hervor. Während der gesamten Projektlaufzeit übernimmt der Key User verschiedene essenzielle Aufgaben, wobei sein Arbeitsaufwand je nach Phase variiert.

In der Evaluierungsphase, agiert der Key User als Ideen- und Feedback-Geber, wobei etwa 10 % seiner Arbeitszeit dafür vorgesehen sind. Während der Implementierungs- und Entwicklungsphase steigt der Arbeitsaufwand für den Key User erheblich und beansprucht 30–50 % seiner Arbeitszeit. Der Key User übernimmt eine aktive Rolle als Tester*in sowie als Trainer*in.

Nach dem Go-Live ist die ERP-Einführung jedoch nicht abgeschlossen. Oftmals wird unterschätzt, dass mit der KVP-Phase weitere Optimierungen erforderlich sind, um das System langfristig effizient zu gestalten. In dieser Phase wird der Key User erneut als Ideen- und Feedback-Geber, Tester*in und Trainer*in benötigt. Zudem übernimmt er nun eine zentrale Rolle im First-Level-Support. Der Aufwand des Key Users in dieser Phase im Projekt beträgt etwa 20 %.

Über alle Projektphasen hinweg agiert der Key User als Multiplikator sowie Bereichsvertreter*in und dient als Schnittstelle zwischen Projektteam und Fachbereich. Key User tragen maßgeblich zur erfolgreichen Einführung des Systems bei und stellen sicher, dass das ERP -Projekt nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch gelingt. Unternehmen sollten daher den hohen Wert dieser Rolle erkennen und ausreichend Zeit sowie Ressourcen für Key User einplanen, um den Projekterfolg nachhaltig zu sichern.

Welche zentralen Aufgaben übernimmt ein Key User?

  1. Key User als Ideen- und Feedback-Geber

In der Evaluierungsphase sind Key User unverzichtbar, da sie fachliches Feedback zu Anforderungen und Software geben. Ihre Aufgaben umfassen verschiedene essenzielle Tätigkeiten. Dazu gehört der regelmäßige Austausch mit anderen Key Usern, beispielsweise in Form von Jour Fixes oder wöchentlichen Meetings, um den Status, Konzepte, Herausforderungen und Abhängigkeiten zu besprechen. Zudem vertreten sie die Anwender*innenperspektive und sind maßgeblich an zentralen Entscheidungen beteiligt. Falls sie als Anfordernde agieren, übernehmen sie auch das Customizing der Software für ihren Fachbereich. Ein weiterer wichtiger Aspekt ihrer Rolle ist die professionelle Kommunikation im Umgang mit Vorbehalten und Änderungen. Sie nehmen Feedback an und prüfen es sachlich, erklären Hintergründe geduldig und zeigen sich offen sowie bereit für Anpassungen. Darüber hinaus dokumentieren sie das Feedback sorgfältig und sorgen für eine zeitnahe Bearbeitung, um einen reibungslosen Evaluierungsprozess zu gewährleisten.

  1. Key User als Multiplikator

Key User halten den Fachbereich „up to date“, wirken beim Projektmarketing als Botschafter mit. Zu ihren zentralen Aufgaben gehört es, den Fachbereich regelmäßig über den Projektfortschritt zu informieren. Zudem analysieren sie bestehende Prozesse kritisch und stellen gezielte Fragen, um Optimierungspotenziale zu identifizieren. Gemeinsam mit den Prozessverantwortlichen entwickeln sie den optimalen Systemablauf, um eine effiziente Umsetzung sicherzustellen. Darüber hinaus halten sie sich an klare Kommunikationsregeln und dokumentieren Feedback strukturiert, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit im gesamten Projektverlauf zu gewährleisten.

  1. Key User als Bereichsvertretung

Während der gesamten Projektlaufzeit fungieren Key User als Bereichsvertretung. Sie organisieren regelmäßige Abstimmungen, inklusive der Erstellung von Agenden und Protokollen, um eine strukturierte und effiziente Kommunikation sicherzustellen. Zudem differenzieren sie zwischen bereits beschlossenen Features und theoretisch möglichen Erweiterungen, wodurch sie zur Klarheit im Entscheidungsprozess beitragen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ihrer Rolle besteht darin, Stimmungen, Risiken und Akzeptanzthemen aus dem Fachbereich in das Projektteam zu transportieren. Dadurch ermöglichen sie eine frühzeitige Identifikation potenzieller Herausforderungen und tragen maßgeblich zur erfolgreichen Umsetzung des Projekts bei.

  1. Key User als Tester*innen

In der Implementierungs- und Entwicklungsphase übernehmen Key User eine essenzielle Rolle als Tester*innen, um die Qualität und Praxistauglichkeit der Lösung sicherzustellen. Sie nehmen an „Train-the-Trainer“-Maßnahmen teil, um ihr Wissen zu vertiefen und es anschließend im Fachbereich weiterzugeben. Zudem prüfen sie die entwickelte Lösung und geben gezieltes Feedback, das zur Optimierung beiträgt. Ein weiterer zentraler Aufgabenbereich ist die Entwicklung von Testfällen und Testszenarien, einschließlich der Erstellung passender Testdaten. Dabei nutzen sie Testmanagement-Tools zur strukturierten Durchführung und Dokumentation, ohne jedoch selbst für die Test-Konzeption verantwortlich zu sein. Abschließend führen sie operative Tests durch, die als Grundlage für die Abnahme der Lösung dienen und somit den Übergang in den produktiven Betrieb unterstützen.

  1. Key User als Trainer*innen

Ein gut geschultes Team ist ein entscheidender Faktor für den Projekterfolg. Key User sind dabei die optimalen Trainer*innen, da sie die Arbeitsweise der Anwender*innen genau kennen und deren spezifische Anforderungen verstehen. Sie unterstützen aktiv bei der Erstellung von Trainingsunterlagen und entwickeln Schulungskonzepte, die praxisnahe Übungsaufgaben sowie geeignete Systemzugänge beinhalten. Um die Qualität und Effektivität der Schulungen kontinuierlich zu verbessern, setzen sie gezielt Feedbackbögen ein und werten diese systematisch aus. Während sie eine zentrale Rolle in der Durchführung der Schulungen übernehmen, tragen sie jedoch nicht die alleinige Verantwortung, sondern agieren in enger Zusammenarbeit mit weiteren Projektbeteiligten, um eine nachhaltige Wissensvermittlung sicherzustellen.

  1. Key User als First Level-Support

Nach dem Go-Live übernehmen Key User eine zentrale Rolle als erste Ansprechpersonen für Anwendungsprobleme und stellen eine reibungslose Systemnutzung sicher. Sie leisten direkte Unterstützung im Arbeitsalltag – eine sogenannte „Ellenbogen-Unterstützung“ – indem sie den Anwender*innen bei Fragen und Unsicherheiten unmittelbar helfen. Gleichzeitig identifizieren sie Fehler und bewerten, welche davon in den offiziellen Support-Prozess überführt werden müssen, beispielsweise über ein Ticketsystem. Zudem transportieren sie negative Erfahrungen oder versteckte Herausforderungen ins Projektteam, die andernfalls möglicherweise unentdeckt bleiben würden. In den ersten Wochen nach dem Go-Live fungieren ausschließlich Key User als Kontaktpersonen für den Support. Nur sie sind berechtigt, Tickets zu eröffnen oder sich direkt an den technischen Support zu wenden, um eine koordinierte und effiziente Bearbeitung von Problemen sicherzustellen.

 

Skills, die ein Key User mitbringen soll

Bei der Auswahl von Key Usern wird häufig an Führungskräfte wie Abteilungsleiter*innen gedacht. In größeren Unternehmen sind diese jedoch oft nicht mit den Details des Tagesgeschäfts vertraut. Daher ist es sinnvoll, auch andere Mitarbeiter*innen in Betracht zu ziehen, die zwar keine leitende Position innehaben, aber ein tiefes Verständnis der operativen Abläufe besitzen. Ein Key User sollte über folgende wesentliche Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen:

  • Hohe fachliche Kompetenz: Tiefgehendes Wissen über die spezifischen Prozesse und Abläufe des eigenen Fachbereichs sowie ein gutes Verständnis für die Gesamtzusammenhänge im Unternehmen.
  • Technisches Verständnis: Hohe IT-Affinität und die Fähigkeit, sich schnell in neue Software und Technologien einzuarbeiten, um deren Funktionsweise zu verstehen und anzuwenden.
  • Schulungskompetenz: Erfahrung in der Konzeption und Durchführung von Schulungen, um Anwender*innen effektiv in der Nutzung des Systems zu unterstützen.
  • Soziale Fähigkeiten: Einfühlungsvermögen, um die Anliegen der Anwender*innen zu verstehen, ausgeprägte Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie ein hohes Maß an Eigenmotivation und Verantwortungsbewusstsein.
  • Veränderungsbereitschaft: Offenheit für Veränderungen und die Fähigkeit, diese aktiv mitzugestalten und voranzutreiben.
  • Belastbarkeit und Stressresistenz: Bereitschaft, in stressigen Phasen einen kühlen Kopf zu bewahren und auch unter Druck effizient zu arbeiten.

 

Die Rolle des Key Users ist für den Erfolg von ERP-Projekten unerlässlich. Als Bindeglied zwischen Fachabteilungen und IT stellt er sicher, dass die Software den Geschäftsanforderungen entspricht, fördert die Akzeptanz im Unternehmen und unterstützt Anwender*innen bei der Nutzung des Systems. Unternehmen sollten daher die Bedeutung dieser Position anerkennen und Key User mit den notwendigen Ressourcen ausstatten, um eine erfolgreiche ERP-Einführung zu gewährleisten

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