Beim diesjährigen Workshop im Rahmen der Fachkonferenz Software Engineering betrachtete man die Komplexität im Anforderungsmanagement aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Vertreter aus Wissenschaft, Forschung sowie aus der Praxis präsentierten ihre Studienergebnisse und Erfahrungen in Hinblick darauf, welcher Personalbedarf für ein ERP-Projekt anfällt, welche ERP-Fähigkeiten potenzielle Projektmitarbeiter mitbringen sollten und wie Personalisten sowie Personaldienstleister die erforderlichen Anforderungen aktuell in Stellenanzeigen kommunizieren.
Viele Enterprise Systems-Auswahl-, Einführungs- und Weiterentwicklungsprojekte scheitern aufgrund fehlender, falscher, mangelhafter beziehungsweise lückenhafter Anforderungen. Im schlimmsten Fall wurden Anforderungen gar nicht erhoben und dokumentiert. Dies darum, weil es in diesen Projekten zwischen Kunden und Lieferanten häufig falsche Erwartungshaltungen, Definitions- und Meinungsverschiedenheiten zum Anforderungsmanagement gibt. Zudem unterstützen falsche Erwartungshaltungen sowie Aussagen, wie etwa: „Das ist ja eh Standard“, ein Scheitern solcher Projekte. Bei der diesjährigen Fachkonferenz Software Engineering SE’21, die vom 22. bis 26. Februar 2021 von der TU Braunschweig virtuell abgehalten wurde, widmete die SIS Consulting dieser speziellen Thematik zum zweiten Mal einen eigenen Workshop mit dem Titel: „Anforderungsmanagement in Enterprise Systems-Projekten (AESP21).
Christoph Weiss und Johannes Keckeis, beide Lehrende an mehreren Bildungseinrichtungen, leiteten den Workshop AESP21 mit rund 25 Teilnehmern. Ziel des Workshops war es, die Herausforderungen des Anforderungsmanagements aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, zu hinterfragen und zu diskutieren.
Neben der Vielzahl an technischen Anforderungen stellt sich für Unternehmen, die die Einführung eines neuen ERP-Systems planen, sehr häufig die Frage, mit welchem Personalaufwand für die Dauer eines ERP-Projekts zu rechnen ist und welche ERP-Fähigkeiten MitarbeiterInnen und Mitarbeiter, die in das Projekt involviert sind, mitbringen oder aufbauen sollten.
Als Projektleiter eines österreichischen Produktionsbetriebes begleitet Holger Kreisel seit rund einem Jahr ein ERP-Auswahlverfahren und präsentierte in seiner Studie sehr anschaulich, welcher internen Ressourcenbedarf – erfasst in Personenstunden – bei der ERP-Evaluierung in seinem Projekt innerhalb eines definierten Zeitraumes tatsächlich angefallen ist. Die interne Studie bietet nicht nur eine interessante Dokumentation über den notwendigen Zeit- und Personalaufwand einer ERP-Evaluierung, sondern dient zugleich als solide Kalkulationsbasis für die Planung weiterer Projektschritte sowie etwaige ähnliche zukünftige Projekte.
Nicht nur die Auswahl des richtigen ERP-Systems stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Auch bei der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welche über die dafür erforderlichen ERP-Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, gilt es einige wesentliche Punkte in der Stellenausschreibung zu beachten, um geeignete Fachkräfte zu rekrutieren. Der Prognose von Arbeitsmarkt- und Kompetenzentwicklungen widmet sich Stefan Humpl. Er war im Zuge einer Analyse des österreichischen Stellenmarktes der Professionalisierung von Stellenanzeigen für den ERP-Bereich nachgegangen. Seine Studie ergab, dass es in den letzten Jahren vor allem eine starke Änderung im Nachfrageverhalten der Unternehmen gab. Diese greifen seit Beginn der Corona-Krise beispielsweise weniger oft auf Personalvermittlungsagenturen zurück und nehmen die Personalsuche nun selbst in die Hand. In Stelleninseraten ist das beispielsweise an einheitlicheren Bezeichnungen und weniger fantasievollen Job-Titeln erkennbar. Wesentlich bei der Stellensuche sind Berufserfahrung sowie eine fundierte IT-Ausbildung. Humpl sprach dabei unter anderem von einer „Renaissance der Wirtschaftsinformatiker“.
Aus der Sicht der Wissenschaft präsentierte Christian Ploder, Professor am MCI Innsbruck, in seinem Paper, welche Erfolgsfaktoren für die Implementierung eines cloudbasierten ERP-Systems für Personaldienstleister von Relevanz sind. Mithilfe von Experteninterviews wurde eine qualitative Studie unter Personaldienstleistern erstellt, bei der die Erfolgsfaktoren durch eine induktive Kategorienbildung bestimmt wurden. Die Erhebung von Prozessen wurde von den befragten Expertinnen und Experten am häufigsten als Erfolgsfaktor genannt.
Die Fragen der Teilnehmenden sowie die Diskussionen im Anschluss an die präsentierten Papers bestätigten, dass die Thematik von hoher Wichtigkeit ist und gezieltes sowie gut dokumentiertes Anforderungsmanagement wesentlich zum Erfolg der ERP-Fähigkeit eines Unternehmens beiträgt.